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Beschlüsse des Parteivorstandes

Wahlperiode 2014-2016

Deutschlands Präsidentschaft in der OSZE

Beschluss des Parteivorstandes vom 20. Februar 2016

  1. Der Appell „Den deutschen OSZE-Vorsitz 2016 vertrauensbildend und friedensstiftend gestalten“ wird beschlossen.
  2. Unter Einbeziehung der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag und der Gruppe der LINKEN im Europäischen Parlament sind geeignete Maßnahmen zu entwickeln, diesen Appell zu unterstützen, um mit einer möglichst breiten Zustimmung in der Bevölkerung die vorgeschlagenen Maßnahmen zu realisieren.
  3. Wolfgang Gehrcke, Hans Modrow und Tobias Pflüger werden beauftragt, den Prozess des deutschen Vorsitzes in der OSZE weiter zu verfolgen und den Parteivorstand regelmäßig zu informieren.

Der Beschluss wird ins Internet gestellt und im Newsletter der Partei veröffentlicht.

Den deutschen OSZE-Vorsitz 2016 vertrauensbildend und friedensstiftend gestalten

Der deutsche OSZE-Vorsitz bietet die Chance zu einem Neustart für eine europäische Sicherheitspolitik. Die OSZE ist die einzige gesamteuropäische Organisation, die sich das Ziel gesetzt hat, einen gemeinsamen europäischen Sicherheitsraum zu gestalten. Die viel zitierte größere internationale Verantwortung Deutschlands sollte hier zur Wirkung kommen.
Am Anfang der OSZE stand die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ihre Schlussakte. Als Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, erste Überlegungen für eine solche Entwicklung in die politische Debatte gebracht wurden, wagten nur wenige zu hoffen, dass die Sicherheitskonferenz diese historische Dimension einer neuen Verständigung erreichen könnte. Zu tief schienen die Gräben des Kalten Krieges, die unerbittliche bipolare Konfrontation, in die sich die einstigen Verbündeten im Kampf gegen die faschistische Aggression verirrt hatten. Auf der Grundlage der UNO-Charta, des Völkerrechts und der Erfahrungen der Nachkriegszeit entstand ein tragfähiges Geflecht von allen Unterzeichnern-Staatschefs akzeptierter Selbstverpflichtungen zum vernünftigen, weil friedfertigen Umgang miteinander. Man hatte begriffen, dass das Austragen von Konflikten in der Endkonsequenz mit Kernwaffen, alle und alles vernichten würde.
Die Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten und der Vertrag der vier Siegermächte und der beiden souveränen deutschen Staaten hatten in der Welt die Hoffnung geweckt, dass nunmehr Frieden herrschen würde. Die Charta von Paris ist Ausdruck dafür.
Aber es fanden sich einflussreiche Kräfte, die sich als Sieger der Geschichte wähnten und der Welt ihren Stempel aufdrücken wollten. „Die Charta von Paris über eine neue Weltordnung wurde an die Wand gefahren“ (E. Cordes, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft“, ND, 13.02.2015).
Die verhängnisvolle NATO- und EU- Osterweiterung nahm ihren Lauf, obwohl man der Sowjetunion beim Abschluss des 2+4-Vertrages versichert hatte, dies nicht zu tun. „Die Versuche zur Eindämmung Russlands, die NATO-und EU-Osterweiterung bis an die Grenzen Russlands sind der Kern der Ukraine-Krise“ (Prof. Mearsheimer aus den USA).
Ein Zündeln mit dem Feuer ist auch das Bestreben, in Osteuropa ein Anti-Raketen-System zu errichten. Wohl niemand glaubt an die Mär, dass es gegen iranische Raketen gerichtet sei, nach dem Vertrag mit dem Iran erst recht nicht.
Erneut stehen wir am Abgrund eines großen Krieges, auch im Nahen Osten. Aber, wie damals, gibt es auch Entwicklungen, die Hoffnungen nähren, auf Entspannung hindeuten. Der brisante Konflikt mit dem Iran scheint auf dem Wege zur Entschärfung. Die Minsker Vereinbarung wurde erreicht und muss nun von allen Seiten verwirklicht und weiterentwickelt werden. Die OSZE hat wieder an Bedeutung gewonnen und sich in der Ukraine als unverzichtbarer Akteur erwiesen. Die Wiener Verhandlungen zum Syrienkonflikt unter Teilnahme aller äußeren Beteiligten und deren Fortsetzung in Genf konnten durchgesetzt werden.
Natürlich ist nicht zu erwarten, dass in dem Jahr des deutschen OSZE-Vorsitzes in all diesen und vielen anderen Dauerkonflikten („eingefrorene“ Konflikte in Nagornij Karabach, Transnistrien u. ä.) ein Durchbruch erzielt werden kann. Aber es sollte in dieser Richtung gearbeitet werden. Schwerpunkte könnten sein:

1. Der deutsche Vorsitz steht vor der Herausforderung, die große Bedeutung der OSZE für die Wiederbelebung des auf Entspannung gerichteten Dialogs, die Vertrauensbildung, die Berechenbarkeit durch Transparenz und die gegenseitige Sicherheit herauszustellen.
Den in den letzten Jahren spürbaren Verlust der Organisation an Durchsetzungskraft ist entgegenzuwirken und dazu beizutragen, die bislang nicht realisierten, in ihren Dokumenten aber festgeschriebenen programmatischen Erklärungen, so des Wiener Dokuments von 2011 der veränderten Lage anzupassen und zu verwirklichen. Geeignete Maßnahmen sind einzuleiten, um die Gründungsakte der OSZE von 1994 zu realisieren. Es geht also nicht um das Produzieren vieler neuer Papiere. Auch kleine Schritte sind willkommen, um Verhandlungspartner nicht zu überfordern sondern für aktives Mittun zu gewinnen.

2. Die Verwirklichung der Minsker Vereinbarungen ist mit Nachdruck fortzusetzen. Die Seiten sind zu ermutigen, geeignete Schritte einzuleiten, um noch offene Punkte einer einvernehmlichen und für alle akzeptablen Lösung zuzuführen. Dafür ist eine möglichst hohe politisch-diplomatische Ebene, einschließlich der Außenminister zu wählen und die Öffentlichkeit gebührend einzubeziehen.

3. Eine Politik der Diskriminierung, Ausgrenzung oder Eindämmung darf in der OSZE keinen Platz haben. Auch die Sinnlosigkeit von Sanktionen ist unter Beweis gestellt. Sie führen lediglich zu gegenseitigem Schaden und Misstrauen. Der deutsche OSZE-Vorsitz könnte beträchtlichen Nutzen bringen, würde er sich dafür stark machen.

4. Auch im Westen waren Stimmen nicht zu überhören, dass man sich mit NATO und EU-Osterweiterung, sowie den Plänen für ein Anti-Raketen-System überreizt, den Bogen überspannt hatte. Diese Probleme sind derart komplex, dass schwerlich größere Fortschritte zu ihrer Lösung in diesem OSZE-Vorsitz zu erwarten sind. Aber Nachdenklichkeiten nachzugehen, über realpolitische, sicher langwierige Lösungswege Überlegungen anzustellen, lohnt allemal. Russland nicht eindämmen oder demütigen zu wollen, könnte eine neue Seite im Ost-West-Verhältnis aufschlagen. Sicherheit ist nur mit, nicht gegen Russland zu erreichen. Vielleicht könnte ein Moratorium für die NATO-Osterweiterung hilfreich sein, über das der Mentor deutscher Ostpolitik, Egon Bahr, schon vor Jahren nachgedacht hatte.
Im „Handelsblatt“ vom 12. Januar 2016 stand zu lesen:„ Es muss ausgelotet werden, wo Entgegenkommen erreicht werden kann. So könnte das Überdenken der Pläne für einen Raketenschild in Osteuropa tatsächlich Spannungen lösen und zur Annäherung beitragen“.

5. Es könnte sinnvoll sein, eine Konferenz der OSZE-Außenminister in Berlin mit etwa folgenden Zielen zu veranstalten:

  • Würdigung eines wünschbaren Erfolges der Minsker Vereinbarung
  • Diskussion zu gegenwärtigen Aufgaben der OSZE wie Dialog, Vertrauensbildung, etc. mit Verweis auf bereits formulierte Ziele ohne neue Dokumente zu produzieren
  • Bestätigung einer Neufassung des Wiener Dokuments von 2011


6. Angesichts der fortdauernden, gefährlichen Spannungen in Europa sollte eine neue OSZE-Gipfelkonferenz in Erwägung gezogen werden.

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