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Beschlüsse des Parteivorstandes

Wahlperiode 2014-2016

Die AfD in den ostdeutschen Landtagen und der Umgang der LINKEN mit dieser Partei

Beschluss des Parteivorstandes vom 24. Januar 2015

  1. Der Parteivorstand bestätigt die Handlungsvorschlage der Arbeitsgruppe zum Umgang der LINKEN mit der AfD.
  2. Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz wird um eine Positionierung zu den Handlungsvorschlagen zum Umgang der LINKEN mit der AfD gebeten.

 

Politische Einschätzung der AfD

Die "Alternative für Deutschland" (AfD) bietet für die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die vielfältigen Probleme einer modernen und pluralen Gesellschaft keine Alternative. Stattdessen propagiert sie die Verschärfung von Austeritätspolitik, Neoliberalismus, Ausgrenzung sowie anti-egalitären und rückwärtsgewandten Vorstellungen der Gesellschaft.

Ihre Vorschläge fördern die Entpolitisierung der Bevölkerung und die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Soziale, ethnische, kulturelle und religiöse Ressentiments und Vorurteile werden von ihr bedient und gezielt mobilisiert, um Menschen in schwieriger sozialer Lage oder mit Lebensvorstellungen, die nicht denen der AfD entsprechen, zu stigmatisieren und auszugrenzen.

Die AfD ist eine Partei des "verrohten Bürgertums" (Wilhelm Heitmeyer, Universität Bielefeld), das seine Privilegien knallhart auf Kosten anderer durchsetzen will. Sie nutzt den Umstand aus, dass die Aushöhlung des Sozialstaats unter anderem durch die "Agenda 2010" sowie die drastische Einschränkung der öffentlichen Daseinsvorsorge auch die sozialen Grundlagen der Demokratie angegriffen haben und die damit verbundenen angeblichen Sachzwänge der neoliberalen Krisenbearbeitung eine Krise der politischen Repräsentation nach sich ziehen.

All dies macht die AfD zu einem politischen Gegner für DIE LINKE. Unklar ist noch, ob sich die AfD dauerhaft im politischen Spektrum etablieren kann. In dieser Situation ist es daher vordringlich, die Etablierung und Normalisierung der Partei zu behindern, damit sie nicht als eine normale demokratische Partei wie jede andere Partei betrachtet wird. Die Landtagwahlen 2015/´16 werden zeigen, ob die Partei ein temporäres Phänomen bleibt oder sich verankern kann.

A. Die AfD hat sich ideologisch und politisch zu einer Partei der extremen Rechten entwickelt, die mit den typischen Mitteln des Populismus arbeitet. Ihr politischer Kern ist längst nicht mehr die Kritik der europäischen Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Sie propagiert zunehmend den gesamten Kernbereich der Ideologien der Ungleichheit. Sie vermeidet in ihrer Außendarstellung jegliche positiven Bezüge auf den NS, dessen Herrschaft und dessen Ideologie. Daher unterscheidet sie sich beispielsweise deutlich von der neonazistischen NPD. Die Charakterisierung der AfD als Teil der extremen Rechten bedeutet zudem nicht, dass alle Mitglieder oder Anhängerinnen und Anhänger auch so bezeichnet werden können.

Die Politik der AfD ist vor allem auf Ausgrenzung gerichtet, somit durch und durch anti-egalitär und anti-liberal. Sie ist marktradikal, sozialstaats- und gewerkschaftsfeindlich, homophob und antifeministisch. Zusammenleben gibt es für sie nur als Modell der traditionellen Kleinfamilie aus Mutter, Vater, Kinder. Ihre Positionen zu Migration changieren zwischen Stammtisch- und Nützlichkeits-Rassismus.

Insgesamt lassen sich bei ihr die Kernelemente der so genannten "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" nachweisen.

B. In der AfD finden sich - grob unterteilt - gegenwärtig drei politische Strömungen:

  1. eine wirtschaftsliberale, marktradikale Strömung,
  2. eine nationalkonservative, christlich-fundamentalistische Strömung und
  3. eine extrem rechte Strömung mit "neurechtem" und "identitärem" Schwerpunkt.

Der ehemals dominierende wirtschaftsliberale Flügel bestand vor allem aus Repräsentanten eines radikalen Neoliberalismus, viele von ihnen Professoren, die sich so als "Sachpolitiker" und "Fachleute" darstellen konnten (z.B. Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel, ...). Dieser Flügel ist in den vergangenen Monaten deutlich schwächer geworden. Er hat sich offenbar zum Machterhalt an der Parteispitze mit dem rechten Flügel in der Partei arrangiert, auch wenn es sich dabei um ein sehr fragiles Gleichgewicht handelt.

Vorwiegend in den ostdeutschen Bundesländern haben sich nationalkonservative und nationalliberale, christlich-fundamentalistische, "neu-rechte", anti-muslimische, anti-feministische und im Kern anti-liberale und anti-egalitäre Ideologien, repräsentiert etwa durch Frauke Petry, Beatrix von Storch, Alexander Gauland und Björn Höcke, durchgesetzt. Das starke Abschneiden der AfD bei den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen hat diesen rechten Flügel zusätzlich gestärkt und auch bundesweit in eine führende Position gebracht. Dass sich gegen diesen Flügel in der Partei doch noch eine liberal-konservative Ausrichtung durchsetzen wird, ist derzeit unwahrscheinlich.

Vereinendes ideologisches Element aller Strömungen in der AfD sind marktradikale Auffassungen, die die Grundlage ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik darstellen. Insoweit ist die AfD insgesamt ein neoliberales Projekt mit einer autoritären Staatsvorstellung.

C. Die Wahlerfolge in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie die Positionierungen dieser Landesverbände werden von der extremen Rechten außerhalb der AfD, vor allem in der sogenannten "Neuen Rechten", positiv aufgenommen. Der AfD werden von der extremen Rechten folgende Funktionen zugeschrieben:

  1. die CDU/CSU von rechts unter Druck zu setzen,
  2. Bestandteile rechter Ideologie (Anti-Egalitarismus, Nationalismus, Anti-Feminisimus, autoritäres Staatsverständnis … in die Parlamente zu tragen,
  3. den Kampf gegen die sogenannte "political correctness" sowie die "Lügenpresse" zu führen und
  4. als angebliche "Protestpartei" den etablierten Parteien ("Altparteien") und dem verhassten "Parteienstaat" entgegen zu treten.

D. Die Mitgliedschaften von Neonazis oder Personen mit einer Vergangenheit in Organisationen der extremen Rechten in der AfD waren oder sind Einzelphänomene einer Partei in der Gründungsphase. Schwerer wiegen a.) der nicht-stringente Umgang mit diesen Mitgliedern durch die Parteiführung auf allen Ebenen. Er zeigt, dass in der AfD mindestens kein Problembewusstsein existiert, b.) sich häufende Fälle von inhaltlichen Überschneidungen mit Positionen der extremen Rechten, wie z.B. die Interviews des Thüringer Partei- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke in Medien der extremen Rechten, dessen Bekenntnis zu den Ideen der rechtsextremen "Identitären", rassistische Äußerungen oder das ständige Posten von Links zu Artikeln extrem rechter Medien, antisemitischer und verschwörungstheoretischer Bilder auf Facebook durch zahlreiche AfD-Funktionäre. Das zeigt, dass Mitglieder und Funktionäre der Partei in relevanter Größenordnung politische Positionen der extremen Rechten teilen, es ein inhaltliches Abgrenzungsbedürfnis gegen die extreme Rechte nicht gibt bzw. dieses rein funktional eingesetzt wird. Gegen die neu-rechte Positionierung prominenter AfD-Funktionäre gibt es keinen wahrnehmbaren Widerstand innerhalb der Partei. Die Nähe weiter Teile der Partei zu der rassistischen "Pegida-Bewegung" sind eine deutliche politische und strategische Positionierung der AfD.

E. Die Wählerinnen und Wähler der AfD rekrutieren sich aus Wechselwählerinnen und Wechselwähler aller anderen Parteien und bisherigen Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Die Wählerinnen und Wähler der AfD dürften die Partei im Großteil im Wissen um und wegen deren Positionen gewählt haben. Untersuchungen zeigen, dass die Wählerinnen und Wähler der AfD die Partei eindeutig am äußeren rechten Rand des Parteienspektrums verorten. Die Wählerinnen und Wähler der Partei DIE LINKE sehen ihre Partei dagegen eindeutig auf dem linken Flügel des Parteiensepktrums. Es gibt also keine rechts-links-Verwechselungen.

Bis zur Europawahl im Mai 2014 präsentierte sich die AfD vorwiegend als europakritische Partei, die deutsche Interessen gegen vorgeblich faule Südeuropäer vertritt. Spätestens mit den Landtagswahlkämpfen 2014 wurde deutlich, dass sie über ihre neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik hinaus insbesondere in der Familien-, Bildungs- Migrations- und Sicherheitspolitik Themen und Inhalte der extremen Rechten vertritt.

Auffällig ist zudem, dass oftmals gerade dort, wo auch die NPD stark ist, auch die AfD in Wahlen stark wurde. Sie hat der Neonazi-Partei jedoch nur in geringem Umfang Stimmen abgenommen. Die AfD fährt dort Erfolge ein, wo rechte Ideologie und rechte Ressentiments bereits salonfähig sind und wo eine offene, moderne, multikulturelle und plurale Gesellschaft nicht stark ist. Die Wählerinnen und Wähler lassen sich offenbar am ehesten mit dem früheren Milieu der Partei "Die Republikaner" oder des "Bund Freier Bürger" vergleichen - konservativ-bürgerlich bis extrem rechts und von "Stammtisch-Parolen" geprägt.

F. Bisher gibt es über den Umgang mit der AfD keinen Konsens der demokratischen Parteien. Der politische, öffentliche und parlamentarische Umgang mit der Partei befindet sich noch in einem Aushandlungsprozess. Jedoch hat die AfD mittlerweile in Teilen des politischen und medialen Betriebs den Status einer "normalen" Partei erlangt. Die Interviews von führenden CDU-Vertretern im Vorfeld der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen haben - trotz der darin geäußerten Kritik an den Positionen der AfD - zu einer Aufwertung der Partei geführt. Auch die Debatte in der Union um eine mögliche Koalition mit der AfD und die Gespräche der Thüringer CDU mit der AfD im Vorfeld der Regierungsbildung zeigt, dass bereits eine "Erosion der Abgrenzung" nach rechts eingesetzt hat. Dazu gehört die Übernahme sicherheits- und migrationspolitischer Positionen der AfD durch die CSU.

G. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 erreichte die AfD 7,1 Prozent der Stimmen und sieben Mandate, die u.a. Bernd Lucke, Heinz-Olaf Henkel und Beatrix von Storch zufielen. Im Europäischen Parlament gehört die AfD zur Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) mit insgesamt 70 Abgeordneten, die zumeist den britischen Tories und der ehemaligen polnischen Regierungspartei PiS angehören, darüber hinaus aber auch der rassistischen "Dänischen Volkspartei" sowie den "Wahren Finnen". Die Fraktion hat ein national-konservatives Profil, verbunden mit Anti-Establishment- und migrationsfeindlichen Positionen. Die Anschlussfähigkeit zum Spektrum rechtspopulistischer und neofaschistischer Parteien ist gegeben. Am 27. November 2014 stimmten 16 EKR-Abgeordnete - unter ihnen sechs der AfD - gemeinsam mit Abgeordneten des "Front National" um Marine Le Pen sowie mit Udo Voigt (NPD) für einen Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission Jean-Claude Junckers.

 

Handlungsvorschläge für DIE LINKE zum Umgang mit der AfD

1. Das Handeln gegenüber der AfD wird sich daran orientieren, einer "Normalisierung" der Partei entgegen zu wirken. Nicht nur medial müssen wir dafür sorgen, dass immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die AfD keine demokratische Alternative ist. Politische, organisatorische und personelle Überschneidungen in die extreme Rechte werden skandalisiert werden. Die AfD darf für Öffentlichkeit, Medien und Politik kein normaler Partner werden. Daraus leitet sich unser Handeln ab.

2. Wir betreiben eine klare politische und organisatorische Abgrenzung gegenüber der AfD. Wir werden z.B. keine gemeinsamen Anträge einreichen, wir werden konsequent gegen ihre Anträge stimmen, keine gemeinsamen Erklärungen abgeben, keine Unterstützung in Personalangelegenheiten gewähren und / oder annehmen. Wir werden für diesen Kurs bei anderen Fraktionen werben. Die Abgrenzung sollte im Idealfall in einer politischen Isolierung der AfD enden. Es ist Aufgabe der Vertreterinnen und Vertreter der LINKEN auch in den kommunalen Vertretungskörperschaften, sich eindeutig gegen rassistisches, menschenfeindliches und diskriminierendes Gedankengut abgrenzen. Dem Problem, dass in kommunalen Vertretungskörperschaften auch AfD-Vertreterinnen und - Vertreter sitzen, die vormals in anderen Parteien aktiv waren, werden wir grundsätzlich begegnen mit Verweis auf Profil und Inhalte der AfD. Unsere Abgrenzung wird - über den konkreten Inhalt der jeweiligen Anträge / Reden hinaus - in dem Sinne erfolgen, dass wir deutlich machen, dass die politischen Positionen der AfD außerhalb der Vorstellungen einer solidarischen, demokratischen, und egalitären Gesellschaft stehen. Die konkreten Initiativen der AfD werden so auf den politischen Kern der Partei zurückgeführt. Aufgabe unserer Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern ist es, die sie betreffenden programmatischen Vorstellungen der AfD genau zu analysieren, um sie so auf jeden Themenfeld inhaltlich angreifen zu können.

3. Mit Blick auf die AfD lehnen wir eine Beschneidung demokratischer Rechte ab. Bei der Änderung oder Erweiterung parlamentarischer Rechte und Pflichten ist jedoch abzuwägen, ob die Maßnahmen zu einer "Normalisierung" und Stärkung der AfD führen.

4. Alle Abgeordneten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Mitglieder und Anhängerinnen und Anhänger demokratischer Organisationen sind aufgefordert, die inhaltliche und politische Auseinandersetzung mit der AfD zu führen. Entsprechende Materialien sind für die gesellschaftlich-öffentliche Debatte in Zusammenarbeit mit Partnern dieser Organisationen zu erarbeiten; sie sollen den spezifischen Anforderungen auf Regional-, Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europaebene entsprechen.

5. Es ist für DIE LINKE weiter analysieren, warum der AfD in drei Bundesländern teils über 10 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme gaben, warum auch DIE LINKE Stimmen an die Rechtspartei verloren hat und wie die AfD (bei anstehenden Wahlen) geschwächt werden kann. Dabei darf es keine Übernahme der Positionen der AfD gehen. Die (Rück-)Gewinnung von Wählerinnen und Wählern für DIE LINKE und die Aktivierung von Nichtwählerinnen und Nichtwählern für demokratische Parteien muss also mit Überzeugungsarbeit für linke bzw. demokratische Positionen einhergehen.

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