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Beschluss 2020/068

Bildung in der Coronakrise: Solidarität statt Konkurrenz

Beschluss des Parteivorstandes vom 25. April 2020

Seit Wochen sind die Kitas, Schulen und Hochschulen geschlossen, Schülerinnen und Schüler lernen zu Hause. Jetzt zeigt sich umso deutlicher: Bildungschancen sind ungerecht verteilt, das Bildungssystem gleicht das nicht aus – im Gegenteil. Der Schulabschluss eines Kindes hängt in Deutschland stärker als in fast jedem anderen Land in Europa von der sozialen Herkunft der Eltern ab. In der Coronakrise heißt das: Manche Schülerinnen und Schüler haben ein eigenes Zimmer, einen Computer zum Lernen mit Internetanschluss für weitere Lernspiele und -hilfen und Eltern im Homeoffice, die ihnen bei technischen Problemen helfen können. Andere helfen Geschwistern bei den Aufgaben, müssen sich mit ihnen ein Smartphone teilen und haben keinen ruhigen Platz zum Lernen. Schülerinnen und Schüler werden nun Aufgaben zugeschickt, die sie zu Hause erledigen sollen. Je nach Schule oder Lehrkraft variieren die Wege der Vermittlung: per Mail, über Messenger-Dienste oder schuleigene Portale, in die sich die Kinder und Jugendlichen einloggen können. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte müssen ihre eigenen elektronischen Geräte nutzen - wer keines hat, ist vom E-Learning ausgeschlossen. Schülerinnen und Schüler sind mit familiären Stresssituationen konfrontiert, sie leben in Ungewissheit darüber, wie sie sich auf die Prüfungen ohne Angst vorbereiten können, es fehlen häusliche Rückzugsorte zum Lernen, Lesen und Entspannen.

Die Kultusministerkonferenz hat beschlossen, dass die Abschlussprüfungen in diesem Jahr trotzdem stattfinden sollen. Im Beschluss heißt es, dass "Schülerinnen und Schüler keine Nachteile aus der jetzigen Ausnahmesituation haben werden." Das ist illusorisch, denn viele Schülerinnen und Schüler sind ohnehin benachteiligt. Bundesregierung und Landesregierungen müssen dafür sorgen, dass alle die gleichen Chancen bekommen. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass die Krise Ungerechtigkeiten nicht weiter verschärft.

Ein elektronisches Gerät für jedes Kind

Weniger als die Hälfte der Haushalte in Deutschland hat einen klassischen PC. Oft heißt das: Es gibt nur ein Smartphone. Damit lässt es sich nicht gut lernen. Manche Schüler haben keinen Internetanschluss und müssen das Datenvolumen ihres Handys nutzen. Für manche Fächer reicht es dann nicht mehr. Hier muss schnell gehandelt werden!

  • Mobiles Arbeiten auch für Schülerinnen und Schüler sicherstellen: Jedes Kind muss einen Computer, Drucker und Internetanschluss zu Hause zur Verfügung haben. Deshalb müssen die Urteile der Sozialgerichte endlich umgesetzt werden. Das gilt auch für Familien, die knapp oberhalb der Hartz IV Einkommen liegen. Das Geld ist da: Der DigitalPakt Schule der Bundesregierung sieht 5 Milliarden Euro für digitale Ausstattung vor. Bisher wurden aber nur 40 Millionen abgerufen.
  • In digitale Infrastruktur investieren: Schnelles und überall verfügbares Internet gehört zur Daseinsvorsorge. Jeder Haushalt hat ein Anrecht auf einen bezahlbaren Breitbandinternet-Anschluss. Dazu müssen pro Jahr 10 Milliarden investiert werden.
  • Keine Internetsperren! Wer seine Rechnung nicht bezahlen kann, darf nicht vom Internet abgeschnitten werden.

In Bildung investieren, Schulreinigung in die öffentliche Hand

Die Bundesländer haben gemeinsam beschlossen, Schulen jetzt schon schrittweise wieder zu öffnen. Doch die Voraussetzungen sind schon allein hygienisch nicht da. In manchen Schulen gibt es nicht ausreichend Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Die Schulreinigung, die gerade jetzt so wichtig ist, ist Sache der Kommunen, weshalb sie seit Jahren massiv gekürzt wurde.

In der Bildung fehlen jährlich 58 Milliarden, um das Nötigste zu finanzieren. Schulgebäude sind marode, es fehlt Personal, Kinder können nicht ausreichend gefördert werden. Vor allem Kinder aus ärmeren Familien können die Defizite nicht durch private Nachhilfe oder Sprachkurse im Ausland ausgleichen. Das betrifft viele. Jedes fünfte Kind lebt in Armut, in manchen Regionen sogar die Hälfte. Bildungsgerechtigkeit heißt auch: Es muss dringend investiert werden.

  • Bessere Bildung: Marode Schulen sanieren und flächendeckende Ganztagsbetreuung. Mehr Studienplätze, bessere Ausstattung, Inklusion und Integration. Ausbau von gebührenfreien Kitas mit mehr Personal, besser bezahlt. Dazu müssen mindestens 58 Milliarden jährlich investiert werden.
  • Mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an den Schulen.
  • Schulreinigung in die öffentliche Hand! Wo die Reinigung ausgelagert wurde, muss sie rekommunalisiert werden. Für saubere Schulen und gute Arbeitsbedingungen.

Solidarität statt Konkurrenz

Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende erleben jetzt Alltagsstress, Geldsorgen und sie machen sich Gedanken um die Zukunft. Jetzt auf Prüfungsdruck und Konkurrenz zu setzen, ist falsch.

Bildungseinrichtungen spielen im Leben von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle. Schule ist mehr als Wissensvermittlung. Schülerinnen und Schülern entgeht jetzt nicht auf Unterricht, auch Kontakt, Gespräche, Beziehungen. Alle Lernenden individuell zu betreuen, schaffen viele Lehrerinnen und Lehrer nicht. In der Coronakrise telefonieren manche von ihnen täglich Stunden mit ihnen und Eltern. Es braucht mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen – dauerhaft.

  • Solidarität statt Konkurrenz: Keine Benotung von Aufgaben, die zu Hause gemacht werden. Prüfungen dürfen erst stattfinden, wenn kein Gesundheitsrisiko besteht und es ausreichend Vorbereitungszeit gab. Wenn das nicht möglich ist, werden die Noten für den Mittleren Schulabschluss Reife und Abitur aus vorhandenen Noten errechnet.
  • Lehrpersonal schützen: Schutzkleidung für alle, die in der Notbetreuung und demnächst im anlaufenden Schulbetrieb arbeiten. Unterstützung für Lehrerinnen und Lehrer. Unterricht kann nicht von einem Tag auf den anderen problemlos auf den Online-Betrieb umgestellt werden. Es braucht Handreichungen und gute Beispiele.
  • Schutz und Sicherheit für Auszubildende: Eine gute Ausbildung muss auch in der Corona-Krise sichergestellt werden! Der erfolgreiche Abschluss muss oberstes Ziel bleiben. Entlassungen sind zu verhindern und der Lohn muss fortgezahlt und die Existenz gesichert werden.
  • Solidarsemester 2020! Mit Studierendenverbänden fordern wir: Bafög um mindestens ein Semester verlängern, erhöhen und weniger bürokratisch machen. Soforthilfe für Studierende in finanzieller Not. Keine Studiengebühren, keine Nachteile für Helfende; Rechte ausländischer Studierender wahren und sie unterstützen. Verträge befristet Beschäftigter verlängern!

Kinder schützen, Kinder – und Jugendhilfe stärken

Familien im Hartz IV-Bezug sind in besonderer Weise von der Krise betroffen. Sie haben weniger Wohnraum, viele Kinder haben kein eigenes Zimmer. Das Recht auf Bildung und Spielen im Sinne der UN-Kinderrechts-Konvention bleibt hier eine leere Worthülse. In häuslicher Enge steigt die Gefahr häuslicher Gewalt. Bereits vorhandene Probleme für gefährdete Kinder und Jugendliche werden durch die aktuelle Situation weiter verschärft. Und oft hat die Kinder-und Jugendhilfe keine Möglichkeit, die Familien aufzusuchen und effektiv zu helfen.

  • Schnelle Finanzhilfe für Träger der Kinder- und Jugendhilfe, Vereine und andere Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche begleiten. Sie müssen ihre Arbeit fortsetzen können.
  • Unterstützung für Familien: Wer schon vor der Krise in konfliktreichen Verhältnissen gelebt hat, muss schnell Hilfe bekommen. Gefährdete Kinder und Jugendliche brauchen Schutz.  Die Kinder – und Jugendhilfe muss in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben erfüllen zu können.
  • Die Hartz IV Leistungen müssen für die Dauer der Corona-Krise um 200 Euro erhöht werden. Die Versorgung mit Datenvolumen und Internetanschluss müssen als Teil des Existenzminimums anerkannt werden.

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