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Beschluss 2020/058

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020: LINKE für Paradigmenwechsel in der EU

Beschluss des Parteivorstandes vom 6. Juni 2020

Die Bundesrepublik Deutschland übernimmt vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 unter dem Motto "Gemeinsam. Europa wieder stark machen" die EU-Ratspräsidentschaft.

DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um einen überfälligen Paradigmenwechsel auf EU-Ebeneeinzuleiten. Nicht erst die Corona-Krise zeigt die Fehler der neoliberalen Prägung der bisherigen EU-Integration in aller Deutlichkeit.

DIE LINKE wird die EU-Ratspräsidentschaft als Partei und in Kooperation mit der Bundestagsfraktion kritisch begleiten und bestmöglich versuchen, eigene Akzente in der öffentlichen Debatte, u.a. durch Pressekonferenz zum Beginn der Präsidentschaft und Aktionen und Veranstaltungen im Herbst, zu setzen. Die konkreten Planungen dazu erfolgen in Zusammenarbeit zwischen PV, der Delegation DIE LINKE. im EP und der europapolitischen Sprecher*innen.

Bislang hat die Bundesregierung kein umfassendes eigenes Programm vorgelegt. Dennoch können wir damit rechnen, dass das beherrschende Thema die Covid-19-Pandemie und ihre gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen sein wird. In diesem Zusammenhang wollen wir insbesondere folgende Aspekte thematisieren:

  • Die Bewältigung der Krise muss sozial gestaltet werden.
  • Neuausrichtung der europäischen Wirtschafts- und Fiskalpolitik: endlich mit dem Austeritäts-Dogma brechen
  • einen sozial und wirtschaftlich tragfähigen Wiederaufbau ermöglichen
    • direkte Finanzierung von öffentlichen Investitionen durch die Europäische Zentralbank
    • "Corona-Anleihen" der Europäischen Investitionsbank mit langen Laufzeiten unterstützen, welche die EZB erwirbt
    • EU-weite Koordinierung einer Besteuerung der Vermögen von Multimillionären und Milliardären und einmalige Vermögensabgabe des reichsten 1% der europäischen Bevölkerung
    • europäische Steueroasen-Modelle beenden
    • ausreichende Mittel als Zuschüsse verteilen und keine nachfragehemmenden Kürzungsauflagen auflegen
    • Industriestrategie mit Ziel der Überwindung ökonomischer und sozialer Spaltung der EU, welche den sozial-ökologischen Umbau auch in der Peripherie voranbringt, anstatt auf Förderung internationaler Champions im globalen Wettbewerb zu setzen, der nur die Zentren weiter stärken würde

Resultierend aus den laufenden Arbeiten und dem Zeitplan auf EU-Ebene wird zum einen das Thema Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 mit Sicherheit in die deutsche Ratspräsidentschaft fallen. Aus unserer Sicht braucht die EU einen Haushalt mit

  • anderer Prioritätensetzung als in den bisherigen Entwürfen
  • statt Mittel für eine weitere Militarisierung und Aufrüstung (z.B. erstmalige Bereitstellung von EU-Haushaltsmitteln für rüstungs- und militärpolitische Vorhaben, neue Haushaltsrubrik für "Sicherheit und Verteidigung", Einrichtung Europäischer Verteidigungsfonds), sowie massive Aufwüchse im Bereich "Grenzmanagement" für eine solidarische Ausrichtung und finanziell verstärkte und konzeptionell korrigierte Instrumente der Struktur- und Kohäsionspolitik, um den wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Gefällen innerhalb und zwischen Mitgliedstaaten entgegen zu wirken
  • wirksame Förderinstrumente für einen sozial-ökologischen Wandel und ausreichende öffentlichen Investitionen, um eine sozial ausgewogene Verwirklichung der Klimaziele und einen innovativen Strukturwandel der Wirtschaft anschieben zu können
  • Einführung einer Digitalsteuer und einer Finanztransaktionssteuer
  • Erhöhung des MFR auf 2% des Brutto-Nationaleinkommens

Zum anderen wird die deutsche Ratspräsidentschaft mit den Verhandlungen über die Beziehungen sowie ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien betraut sein. Hier ist uns vor allem folgendes wichtig:

  • für soziale Rechte aller Betroffenen, dauerhaften Frieden auf irischer Insel
  • gegen Freihandelsabkommen a la CETA, Steuerdumpingwettbewerb und geplante Militär- und Geheimdienstkooperation

Für DIE LINKE bleibt die Forderung nach einer Stärkung des Sozialen Europas zentral: für eine soziale Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen. Soziale Grundrechte und die Tarifautonomie müssen Vorrang vor der Binnenmarktfreiheit haben

  • für soziale Mindeststandards und existenzsichernde Grundsicherungsleistungen in allen Mitgliedstaaten
  • für einen Rahmen für Mindestlohnregelungen in der EU: Mindestlohn in Höhe von mindestens 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medianlohns, darüber hinaus Stützung von Tarifvertragssystemen und Förderung von Tarifbindung
  • Beitritt der EU zur Europäischen Menschrechtskonvention (EMRK)

Zudem werden wir weiterhin die Stimmefür ein friedliches Miteinander, gegen die fortschreitende Militarisierung der EU sein:

  • für eine Politik der Abrüstung, Völkerfreundschaft und internationale Zusammenarbeit statt NATO-Feindbilder, Waffenexporte und Militäreinsätze, sowie Projekte, wie PESCO
  • für eine solidarische Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik, gegen Konfrontation mit Russland
  • für eine gerechte Handelspolitik als Motor für eine friedliche Entwicklung
  • Kontinent der Solidarität statt Festung Europa: ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm und legale und sichere Einreisemöglichkeiten in die EU statt Abschottung durch Frontex

Wir werden unsere Kritik am und Alternativen zum Green Deal formulieren: Für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit

  • mehr als "grüner Kapitalismus" notwendig, anderes Wirtschaftssystem statt Ausbeutung von Mensch und Natur
  • Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 70% bis 2030
  • Just transition für 108 Betriebe in der EU, damit die 240.000 Kumpel nicht allein bleiben
  • 100% erneuerbare Energie bis 2040

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