Ersetzungsantrag G.10: Für Frieden in Europa und mit Russland
Beschluss des Parteivorstandes vom 3. Oktober 2020
Der Parteivorstand beschließt den anhängenden Ersetzungsantrag zu den Anträgen G.5, G.10, G.27 und P.07.
Für Frieden in Europa und mit Russland – Ohne Feindbilder und geschichtlichen Revisionismus
DIE LINKE bekräftigt ihre friedenspolitischen programmatischen Grundsätze aus dem Erfurter Programm: »Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt (...)«
Der Parteivorstand wird beauftragt, eine Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion durchzuführen, die das Leid und die Verluste der Sowjetunion im 2. Weltkrieg und ihre Rolle bei der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus entsprechend berücksichtigt.
Am 22. Juni 1941 überfielen 121 Divisionen des faschistischen Deutschland – rund drei Millionen Wehrmachtsangehörige gemeinsam mit weiteren 600.000 Soldaten aus Italien, Ungarn, Finnland, Rumänien und der Slowakei – auf einer 2.130 km breiten Front zwischen Ostsee und Schwarzem Meer die Sowjetunion.
Im »Gerichtsbarkeitserlass Barbarossa« hieß es: »Für Handlungen, die Angehörige der Wehrmacht und des Gefolges gegen feindliche Zivilpersonen begehen, besteht kein Verfolgungszwang, auch dann nicht, wenn die Tat zugleich ein militärisches Verbrechen oder Vergehen ist.«
Die grauenhaften Verbrechen dauerten vier Jahre und 27 Millionen Sowjetbürger erlebten den Sieg über die Barbarei nicht. Auch die materiellen Verluste des Landes waren unermesslich. Bei ihrem Rückzug hinterließen die Faschisten verbrannte Erde.
Doch anstatt dem Rechnung zu tragen und die deutsche Schuld gegenüber den Menschen in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion anzuerkennen, wird mit Blick auf die aktuellen Auseinandersetzungen mit Russland Geschichtsrevisionismus betrieben und der einseitige Blick zurück instrumentalisiert. So geschehen zum Beispiel in der Erklärung des Europaparlaments vom 19.09.2019 »Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas« Zur Aufarbeitung und zu den Lehren aus der Geschichte gehört die Auseinandersetzung mit den Schrecken des Stalinismus dazu. Doch das In-eins-Setzen der totalitären Strukturen von Nazideutschland und der Diktatur Stalins ist eine Umwertung historischer Abläufe.
Die Versuche, Geschichte nach Mustern des Kalten Krieges umzudeuten, stehen unmittelbar in Zusammenhang mit der aktuellen Konfrontationspolitik gegenüber Russland. Anstatt sich auf die Lehren aus der Geschichte zu besinnen, stehen wieder Militarisierung und Drohkulissen hoch im Kurs.
Die NATO hat sich bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt. Rüstungsausgaben und Kriegsführungspläne werden auch hierzulande vorangetrieben, bis zur »Modernisierung« der »nuklearen Teilhabe« durch die geplante Beschaffung neuer US-Kampfjets. NATO Aufmärsche in Europa wie Defender 2020 befeuern die Konfrontation gegenüber Russland und setzen die NATO-Mitgliedsstaaten unter Druck, ihre Militärausgaben zu erhöhen. Die Sanktionspolitik gegenüber Russland lehnen wir ab.
Ungeachtet dessen stehen wir der russischen Politik kritisch gegenüber, sowohl in Hinblick auf Aspekte der russischen Innenpolitik als auch die Rolle Russlands in einigen internationalen Konflikten, wie in Syrien oder Ukraine. Russland verfolgt in der internationalen Politik geostrategisch und wirtschaftlich ebenfalls seine eigenen Interessen.
Trotz dieser notwendigen Kritik sehen wir es als unsere Aufgabe, Gedenken unbeeinflusst von den aktuellen Auseinandersetzungen durchzuführen. Wir sollten uns dabei nicht von den aktuellen Auseinandersetzungen leiten lassen, wenngleich uns bewusst ist, dass die gegenwärtige politische Diskussion und die Auseinandersetzung mit der Geschichte oft in einem Wechselverhältnis zueinander stehen.