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Beschluss 2020/120

Keine Abfrage der Staatangehörigkeit im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen

Beschluss des Parteivorstandes vom 15. August 2020

DIE LINKE lehnt die bundesweite Abfrage der Staatsangehörigkeit von Verwandten von Verdächtigen bei Standesämtern im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen ohne konkreten Bezug zur vorgeworfenen Tat ab. Eine solche Abfrage ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nicht zu vereinbaren. Es verletzt selbst den Grundsatz des Tatstrafrechts (als Gegenbild zum Täterstrafrecht, etwa im Faschismus oder in anderen autoritären Systemen). Im Rahmen repressiv-polizeilicher Tätigkeit als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft hat die Polizei den Sachverhalt zu erforschen und deren Ergebnisse der Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Zur Erforschung des Sachverhalts ist in der Regel die Staatsangehörigkeit von Verwandten irrelevant. Sie hat daher regelmäßig zu unterbleiben.

Die Erforschung der Ursachen von Gewaltkriminalität ist eine wichtige Voraussetzung zur Verhinderung künftiger Straftaten. Die Nationalität der Eltern in diese Betrachtung einzubeziehen, ist jedoch nicht nur unwissenschaftlich, sondern offenbart auch zutiefst verwurzelte rassistische Denk- und Handlungsmuster und somit eine eklatante Fehlerquelle für die polizeiliche Arbeit wie sie bereits bei den als sog. "Dönermorde" eingestuften NSU-Morden tragisch offenbart wurde. 

Die Abfrage der Staatsangehörigkeit der Eltern von Verdächtigen nach den Krawallen von Stuttgart ist offenbar auf Grund politischer und medialer Anfragen über einen angeblichen oder behaupteten Migrationshintergrund der Beteiligten erfolgt. Möglicherweise sind gesellschaftliche Konflikte und soziale Frustration von Jugendmilieus Hintergrund der Ausschreitungen. Diese sind allerdings zur repressiv-polizeilichen Bearbeitung ungeeignet. Die Erhebung des Migrationshintergrunds von Verwandten von Verdächtigen verhindert keine Kriminalität, schafft auch keinen gesellschaftlichen Frieden, schürt aber rassistische Stimmungen. Sie ist Wasser auf die Mühlen von rechten und autoritären Kräften in Politik und Gesellschaft, die die Ursache von Kriminalität nicht in sozialen Konflikten und Ausgrenzungsprozessen, sondern in der ethnischen oder regionalen Herkunft, der kulturellen oder religiösen Prägung von Bürgerinnen und Bürgern oder einfach als Ergebnis unserer Einwanderungsgesellschaft negativ verorten möchte. Dem stellen wir uns als Partei DIE LINKE mit aller Kraft entgegen. Wir wenden uns entschieden gegen die Ethnisierung von gesellschaftlichen Konflikten.

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